Neue Hornissenarten: Vernichten oder abwehren?
von Dr. Wolfgang Ritter und Ute Schneider-Ritter
Hornissen können nicht nur bei Bienen, sondern auch bei Menschen Furcht auslösen. Uns Menschen gegenüber verhalten sie sich normalerweise friedlich, denn nur Insekten gehören zu ihrem Nahrungsspektrum. Als wir vor über 40 Jahren lernten zu imkern, war folgende Auffassung verbreitet: Ein guter Imker duldet keine Nester von Wespen und insbesondere von Hornissen in der Nähe seiner Bienen. Damals trat die heimische Hornisse Vespa crabro vor allem in Süddeutschland auf. Je weniger man damals mit ihr zu tun hatte, umso mehr wurde sie als Gefahr und Feind für Mensch und Biene gesehen. Da bei „Wespenalarm“ weniger Sammelbienen unterwegs sind, steht allerdings manchmal mehr die Angst vor Einbussen bei der Honigernte im Vordergrund.
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Immer mehr Tiere und Pflanzen werden durch den Menschen bewusst oder unbewusst verschleppt und führen als invasive Arten in ihrem neuen Verbreitungsgebiet häufig zu Problemen. Um das Jahr 2004 war die in Asien beheimatete Vespa velutina nigrithorax vermutlich mit Containern über den Hafen von Bordeaux nach Europa gelangt. In kurzer Zeit breitete sie sich über weite Teile Frankreichs aus. Als Leiter des Referenzlabors der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) beriet ich auch die EU-Kommission in Sachen Bienengesundheit. Wegen der bereits fortgeschrittenen Ausbreitung und teilweise widersprüchlichen Meldungen über Schäden, gab es keine Notwendigkeit, regelnd einzugreifen. Zudem zeigten alle Untersuchungen, dass mit den aufgestellten Fallen vor allem geschützte heimische Arten getötet werden. Mal abgesehen von geschwächten Völkern, die oft auch Ameisen und Wachsmotten zum Opfer fallen, treten Probleme bei gesunden Völkern eher selten auf. Trotzdem kann es, wie wir selbst beobachten konnten, vor allem in mediterranen Regionen gelegentlich heftige Übergriffe geben. Doch auch bei unserer heimischen Hornisse und anderen Wespen kommt dies vereinzelt vor.
Die Asiatische Hornisse muss seit 2014 nach der europäischen Gesetzgebung (EU 1143/2014) als invasive Art der Naturschutzbehörde gemeldet und von dieser bekämpft werden. Doch aus Erfahrung lassen sich invasive Arten nur schwer aufhalten, besonders wenn sie schon weit verbreitet sind. So etablierte sich Vespa velutina trotz intensivster Bekämpfung innerhalb kurzer Zeit in ganz Frankreich. 2014 wurde sie erstmals bei uns im Südwesten gesichtet. Auch wenn sie sich inzwischen über grosse Teile Deutschlands ausbreiten konnte, gibt es fast keine Berichte über ernsthafte Probleme bei Honigbienen. Doch neben invasiven Arten gelangen im Zuge der Klimaerwärmung auch heimische Arten von Pflanzen und Tieren auf natürlichem Weg zu uns. Neben vielen Wildbienen gehört hierzu auch Vespa orientalis als zweite in Europa heimische Hornissenart. Schon bei unseren Besuchen im ehemaligen Jugoslawien bezeichneten sie dort viele Imkernde als ihr grösstes Problem. Inzwischen wurde sie in ganz Italien und Südfrankreich, aber auch in Rumänien gesichtet. Über kurz oder lang müssen wir auch bei uns mit ihr rechnen.
Das heisst aber nicht, dass wir tatenlos zuschauen müssen. Vielmehr sollten wir uns um einen ausreichenden Schutz für unsere Bienenvölker kümmern. Intakte und gesunde Völker können auch bei uns zur Abwehr einen „Bart“ aus Bienen vor dem Nesteingang bilden, aus dem Angriffe abgewehrt werden. Man kann – wie in Südfrankreich inzwischen üblich – zusätzlich Lochblenden am Flugloch anbringen. Auch die afrikanischen Bienen verengen den Nesteingang mit Propolis bis auf viele kleine Durchschlupflöcher, um sich vor Insektenangriffen zu schützen. Auf unserem Bienenstand erleichtern wir den Bienen die Verteidigung mit Rebstöcken vor den Flugfronten. Dadurch wird den Hornissen das Abfangen der Bienen vor dem Flugloch erschwert. Zudem wagen sie sich nur ungern in das für Bienen leicht zu durchfliegende Blättergewirr. Wir sollten aber nicht nur die Selbstverteidigung, sondern auch die Widerstandskraft der Bienenvölker stärken, damit sie auch andere Prädatoren und Krankheiten abwehren können.
Für die Zukunft müssen wir abwarten, ob und wie sich diese neuen Hornissenarten in unser Ökosystem einnisten. Nach neuesten Untersuchungen in Italien (Simone Lioy et al., 2023) überschneiden sich deren Verbreitungsgebiete regional sehr unterschiedlich. Vespa crabro scheint besser an kaltes trockenes und Vespa orientalis besser an warmes trockenes Klima angepasst zu sein. Vespa velutina bevorzugt dagegen eher warme feuchte Gebiete und breitet sich entlang von Gewässern besonders schnell aus. Die Vernichtung invasiver Hornissenarten bringt meist nur kurzfristig Erfolg. Die Stärkung der Abwehr der Bienen schützt dagegen anhaltend und auch für die Zukunft. Auch wenn es gelingt, den Klimawandel zu stoppen, müssen wir uns auf die Veränderungen einstellen.
Quelle: bienen & natur 11/2023